Ivo Saglietti, Unter Abrahams Zelt

Lieber Ivo,

endlich ist das Buch Wirklichkeit geworden. Ich will hier über drei Dinge zu dir sprechen. Das erste ist eine kurze Erklärung, wer wir sind und sein wollen, wir von der klösterlichen Gemeinschaft von „Khalil“ (übersetzt: Abraham, der „Freund“ Gottes),eine Gemeinschaft, die im syrisch-antiochenischen  Kloster von Deir Mar Musa el-Habashi entstanden ist, übersetzt bedeutet das: „St. Moses der Äthiopier“. Das zweite wird ein Gespräch mit dir als Person und Fotograf sein. Und das dritte wird ein Hinweis auf die psycho-spirituelle Problematik des Fotografierten sein.

Soviel zu mir: ich bin 54 Jahre alt, bin Römer, Jesuitenschüler, Pfadfinder, Leugner, Träumer, Bergsteiger, Novize des Jesuitenordens 1975, im Mittleren Osten seit 1977, um dem Zeugnis der Kirche in der muslimischen Welt zu dienen. Im Sommer des Jahres 1982 kam ich zu den Ruinen von Deir Mar Musa, für zehn Tage der geistlichen Einkehr, und verliebte mich. Hier fand ich den „Körper“ meiner Träume und Wünsche, jenen mystischen, aber auch klösterlichen, kulturellen und politischen: Körper an Körper mit dem Anderen, mit Allah. Der Eine meiner Leidenschaft, der Barmherzige, Leib des ewigen Wortes, ungeschaffen und Schöpfer, für eine unsag-bare Umarmung und einen Kuss, der alles ausdrückt, und Schweigen; Leib, den der Atem der Prophetie belebt, Auferstehung und Erscheinen, die Schau!

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SOTTO LA TENDA DI ABRAMO - Deir Mar Musa  el- Hadasci" fotografie di

IVO Saglietti, con una lettera di Padre Paolo Dall'Oglio.

Formato cm 24x28

Fotografie 46 in bianco e nero
Pagine 96
Testo in Arabo e in Italiano
Brossura con bandelle

Prezzo di copertina in libreria Euro 42,00

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Drei sind die in der rötlichen Oberfläche der Steinwüste aufgetauchten Prioritäten: 

Die eine: das Absolute der umsonst geschenkten Spiritualität, Wahl und Gehorsam. Andernfalls wünschte ich den Tod ohne Paradies.

Die zweite: die Handarbeit; Erde, Fels, Gerste, Oliven, Mandeln, Bienen, Ziegen, Fleisch und Käse, Scherben und Fresken, bürokratischer Ärger und eigenwillige Computer, Küche, Abfluss und Mülltonne..... macht die nicht Fleisch werdende Liebe Sinn?

Die dritte: der Dienst der Gastfreundschaft, die hier in der semitischen, arabischen, nomadenhaften Welt die höchste Tugend ist. Deswegen ist der Patriarch Abraham der größte Heilige, da er Gott beherbergte, den er im Gast wieder erkannte. 

Seit 1991 sind wir hier die ganze Zeit. Es ist eine kleine Gemeinschaft entstanden, eine Gemeinschaft der ernsten und tiefen Freundschaft mit den Muslimen und der Umma geweiht, der islamischen Welt. Und die Freundschaft wandelt dich, nimmt dich mit hinein in die spirituellen, sozialen und kulturellen Beziehungen. Es handelt sich, um mit Massignon zu sprechen, um ein sich Einlassen in den Schicksalslauf des Freundes.
Wir sind Männer und Frauen verschiedener Kirchen und verschiedener Länder. Wir erproben und erleiden den Reichtum der Verschiedenheit, die Askese des Dialogs, die Ekstase der Harmonie.
Mönch sein ist ein Alleinsein mit Gott, das eine ausschließliche Konzentration verlangt und provoziert, auch Eros und Zuneigung, welche die Person meint und ihre Beziehungen außerhalb der natürlichen Normalität, ohne irgendeine Gering-schätzung oder Überhebung, der überzeitlichen Dimension der Geschichte gegenüber, in der wesenhaften Beschaffenheit   des Glaubens.

Die Keuschheit, entfremdend und verarmend, wenn sie der Vision ermangelt; wir wollen sie als demütigen, brennenden und gläubigen Ausdruck einer wahrhaftigen, nicht gestellten Sublimierung, einer absichtslosen Zartheit, einer gewaltlosen Radikalität und eines Bezeugens der Horizonte des Jesus von Nazareth. Deswegen sind die Brüder und Schwestern zuallererst  Mönche und Nonnen. Wir möchten als Gemeinschaft zusammen sein, weil im monastischen Leben, das evangelisches Leben in der Liebe zu Gott und zum Nächsten ist, das ursprüngliche und letztgültige Modell jenes der Braut und des Bräutigams ist, jenes des Dialogs zwischen dem männlichen und dem weiblichen Mysterium. Es wird auf das Leben in der Ehe verzichtet, aber nicht auf die Tiefe der Zwischenmenschlichkeit, in der sich die göttliche Gemeinschaft spiegelt.

 

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Der erste von links auf dem Gruppenfoto ist Jak aus Aleppo, ein Gefährte der ersten Stunde und jetzt auch Pfarrer in einer Oase auf der Straße nach Palmyra. Dann Jens aus Zürich. Er ging mit dem Rucksack nach Samarkand, begegnete hier Jesus aus Nazareth und sie fanden Gefallen aneinander. Der dritte von links ist der einfache und liebe Butros, aus Hasaché, der Käsemacher. Links von mir ist Ramona aus Damaskus. Die Familie stammt vom Golan, sie ist ehemalige Pfadfinderleiterin und im Ministerium Angestellte. Die nächste ist Huda, Agraringenieurin, Damaszenerin, aber ursprünglich aus den Bergen an der Grenze zum Libanon stammend. In Deir Mar Musa ist sie seit zehn Jahren, sie ist „grundlegend“ für die Gemeinschaft. In der ersten Reihe ist Jihad, ein Maronit von der syrischen Mittelmeerküste, er wurde Freund der Sufimuslime in Alt-Damaskus. Nach der Aufnahme des Fotos sind noch Frederic, ein Savoyarde, und Dima aus Homs eingetreten. 

Diese Gemeinschaft des „Khalil“ ist kirchenrechtlich und gemäß unserer Verpflichtung Teil der  Katholischen Kirche, konkret durch die Zugehörigkeit zur loka-len, Syrisch-Antiochenischen Kirche. Zur Zeit ist kirchlicherseits eine tiefere Wertschätzung dieser neuen monastischen Gründung zu bemerken.

Seit der Zeit des Propheten Mohammed hatte das Wüstenkloster eine sozio-spirituelle Funktion inne, war geschätzt und geachtet in der muslimischen Welt. Wir wollten diesen Dienst der Gastfreundschaft wieder entdecken und in ausdrücklicher und gewissenhafter Weise darstellen. Das Empfangszelt wurde ein symbolischer Ort der Begegnung mit der Bevölkerung der Region; man kommt am Freitag mit der Familie und bleibt, um am Eingang des Tales zu essen. Hin und wieder organisieren wir interreligiöse Begegnungen, wir suchen so das  gegenseitige Verständnis in der Teilhabe an den selben Sehnsüchten und Wünschen wie Demokratie und Gerechtigkeit und versuchen gemeinsam die Wirklichkeit der spirituellen Dimension im gemeinsamen Gebet zu erfahren. Das führt dann zu Gegenbesuchen in islamischen Zentren und in Moscheen. Für uns alle ist wichtig zu spüren, dass wir uns an einer gemeinsamen spirituellen Quelle stärken, auch wenn jeder in Freiheit die eigene Tradition bezeugt. So ist so etwas wie ein islamisch-christlicher Freundeskreis entstanden , der uns in der Hoffnung auf eine andere Zukunft bestärkt, als sie uns derzeit in den Nachrichten begegnet. Es wäre noch viel, sehr viel zu tun, aber die Energien sind wie sie sind; sicher ist, dass das Interesse an Begegnungen stark und beidseitig ist. Es stimmt auch, dass dieses Zeugnis durch die Massenmedien eine große Anzahl von Personen erreicht und die dadurch weitergetragene Symbolik dadurch vervielfältigt wird.

Wir glauben hier in Deir Mar Musa an die Bedeutung des Islam in der Welt von heute. Wir denken auch, dass keine Aufgabe, auch nicht die polemische, ohne Interaktion oder Vernetzung mit anderen Aufgaben zu verwirklichen ist. Wir meinen, hier eine Rolle als arabische oder arabisierte Jünger Jesu zu haben. Es scheint uns auch, dass in diesem Geschehen auch ein Dienst gegenüber den Kirchen und der „christlichen Welt“ zu sehen ist, sowohl im mittelöstlichen wie im katholischen Bereich. Innerhalb der Welt des biblisch-semitischen kulturellen Mutterbodens und in gewisser Weise analog der jüdischen Funktion , aber viel weiter in der Auswirkung, hat der Islam, so weit es mir zu begreifen geschenkt ist, auch die Aufgabe, sich gegen die nach Vormacht strebenden „christlichen“ Ansprüche in ihren verschiedenen Formen zu erheben, eingeschlossen jene laikalen Ansprüche der modernen säkularisierten und globalisierten Modernität. Außerdem hilft der Islam, mit Eifer jede Neigung zu Inkarnation und Immanenz zu korrigieren, die in der Leugnung der Beziehung zur absoluten und unaussprechlichen Transzendenz endet. Schließlich ist der Islam ein unübersehbares Zeugnis gegen jede Schizophrenie und jeglichen Dualismus, welcher das sakrale und das profane, das politische und religiöse voneinander trennt, weil er dem Einen mit unendlicher und gesegneter Sehnsucht entgegenharrt. Daraus entspringt eine große muslimische Leidenschaft für die Gerechtigkeit und die Wiederherstellung der heiligen Rechte der Entrechteten.

Vergessen wir auch nicht, dass der Islam einen Rahmen der Zivilisation und der konkreten Spiritualität angeboten hat und anbietet, der sicher kritisierbar und zu verbessern ist, aber dennoch effizient dynamisch für einen Großteil der Bevölkerung des Planeten.

Die Leiden und die Widersprüchlichkeiten des heutigen Islam wollen wir gemeinsam in radikaler Solidarität mittragen, ohne darüber unseren Anteil auch an der christlichen Welt zu vergessen, in welcher der Westen nach Vormacht strebt und wir wollen im Gebet und in der Prüfung des Gewissens die Tragik der aktuellen Situation mitragen, für die Jerusalem zum skandalösesten Symbol wurde.

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Aber kommen wir nun, Ivo, zum zweiten Teil, zur Person des Fotografen. Deine Fotos gefallen mir, gefallen uns, sie sind wahrhaftig und wir erkennen und entdecken uns in ihnen wieder. Die Schwarzweißtechnik ist  wie geschaffen, um hinter die Illusionen und den Schleier des Erscheinens zu gehen, sie ist bereits Abstraktionsprozess und Konzeptualisierung. Aber bei dir ist auch die große Zartheit zu schätzen, sicher erworben im Leiden und im Kampf, die du jahrelang fotografiert hast, nicht aus Schaulust, sondern aus Solidarität.

An deinen Bildern möchte ich zwei Aspekte unterstreichen, die mir lieb sind. Vor allem die Hände. Ich weiß nicht, wie du es machst, aber es ist, als kämen einem die Hände entgegen: annehmend, tätig oder einfach nieder gelegt, niemals aber irgendwie als Anhängsel oder „nur so“. Die Hände in deinen Bildern sprechen von deinem Engagement für den Menschen der Geschichte um jeden Preis. Dann die Arbeit und die Arbeiter! Ich danke dir, dass du uns Mönchen und Mitarbeitern im Bild die entschiedene Wichtigkeit des Seins in einer Gemeinschaft des Lebens vor Augen stellst. Du gibst mir die Gelegenheit, auszudrücken, dass Deir Mar Musa nicht nur ein Ort des Kultes und der Arbeit ist, sondern vor allem ein Ort , wo das Tun der Freundschaft und dem Gebet einen Körper gibt und wo die innere Einkehr sich beeilt, in der Welt sich auszudrücken. In diesem Sinn übersteigt unser Leben mit Amin, Maruan, Marwa, Husayn, Ali,Majd..., mit Laien, Vätern und Müttern den monasti-schen Rahmen.

 

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Deine Art zu fotografieren ist ein Miteinanderleben im normalen Alltagslicht; am Morgen, am Abend, bei nächtlichem Kerzenschein, ohne Reflektoren und Lampen. Dein Fotoapparat ist diskret, Lärm gleich Null. Er will keine Bilder rauben, er empfängt sie in Respekt und Höflichkeit. Deine Aufnahmen sind nicht die eines Fotoreporters, sondern die eines Weggefährten, der zum Freund wird. Deswegen ist dieses Buch wirklich sowohl deines als auch unseres. Es hätte mich gefreut, wäre auch ein Selbstbildnis von dir darin enthalten: dein Sein mit uns. Ich möchte gern ein Bild unseres Gesprächs festhalten, wie den Verlauf einer Epoche. Vielleicht handelt dieses Buch gerade davon..

Wie kam Ivo dazu, sich mit einem Wüstenkloster zu befassen? Sicher war es Mario Peliti, der Francesca ein Geschenk machen wollte, seit Jahren einer der „Fans“ von Deir Mar Musa, und auch mir ein Geschenk, seinem alten früheren Campingfreund. Mario war es, der es dir vorschlug, und er ahnte und wusste, du wärest der geeignete Mann dafür. Auf Zehenspitzen kamst du in unser Leben und bist nun hier zuhause. Deine Bilder zeigen, dass es dir weder um Ästhetik, noch um Dokumentation ging. Du stelltest dir mit uns die selben Fragen nach dem Sinn der alltäglichen Abläufe, Fragen des Glaubens und Fragen des Zweifels. Du verstandest es, unsere Hoffnung jenseits des Leides im Bild fest zu halten. Danke! Du stelltest dir mit uns neu die Frage des Glaubens und seiner Berechtigung angesichts der Realität und letztlich nach seiner existentiellen und politischen Bedeutung.

Lieber Ivo, dein Buch ist wie ein Pfand, wie ein Zeuge unter uns. Vor allem danken wir dir, dass du dich  in deinem Fotografieren nicht wie zu Objekten, sondern wie zu Subjekten verhältst. In diesem Sinn hast du uns geholfen, unsere monastische Gemeinschaft auch angesichts einer Welt zu begründen, die, durch deinen Blick gesehen, keine rhetorischen und keine instrumentalen Fragen stellt.

Kommen wir zum dritten Teil.

Es ist in Mode, sich über die Aufdringlichkeit der Fotografen zu entrüsten, und dann doch zu hoffen, sie würden kommen. Das Medieninteresse ist eine gefährliche affektive Droge. Ist es normal, dass eine monastische Gemeinschaft, wenn auch offen und entgegenkommend, sich so präsentiert? Ist das gesund? Eigentlich haben wir uns zu Schauspielern in unserem eigenen wahren Film gemacht!

 

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 Als ganz junger Mensch ging ich nach Lourdes und bot mich an, an der Quelle den Schwerstkranken zu helfen. Es war eine Erfahrung intensivsten Gebetes. Auf einmal kam ein Fernsehteam, mit der Erlaubnis des Rektors des Heiligtums, und wollte alles filmen. Ich tat, was ich konnte, um ihnen klar zu machen, dass hier ein   „Allerheiligstes des Leidens“ wäre und die Neugier draußen zu bleiben habe. Daraufhin verkleidete sich das Fernsehteam als Krankenträger und ein armer gelähmter Deutscher machte das kalte Bad noch einmal in der Hoffnung, seine Mutter sähe ihn im Fernsehen. Heute denke ich, dass es damals einfach nicht genug Gespräch gab und wir uns dadurch als in intimsten und heikelsten Momenten vergewaltigte Objekte sahen. Keiner hatte uns erklärt, dass hier auch die Möglichkeit bestand, durch die Bilder mit so vielen Menschen in Dialog und Kommunikation zu treten. Und keiner hatte uns auch erklärt, dass wir die Kamera nicht zu ignorieren bräuchten, sondern dass sie, Mikrofon inbegriffen, Zugang in Häuser schafft und Menschen einlädt, zu kommen, mit zu helfen, um einander Lasten zu tragen. Das Kameraobjektiv zu ignorieren erscheint mir affektiert, ehrlicher erscheint mir, es gemeinsam und verantwortlich einzusetzen.


Johannes Paul II stellt sich nicht betend, er betet wirklich und er tut auch nicht so, als ob die Kamera nicht da wäre. Ich habe das selbst aus der Nähe gesehen. Er betet wirklich im Fernsehen und tritt so auch in Gemeinschaft mit allen, die ihn sehen, wenigstens für einen flüchtigen Augenblick zwischen den Programmen.

Sollte ein Priester ganz allein die Messe feiern, allein mit den Engeln und Heiligen und auch mit allen Armen der ganzen Erde und dann den Kelch vor der Kamera oder dem Filmgerät für Millionen von Zuschauern erheben, dann dürfte das nichts ändern, da er im Dunkel des Objektivs den Blick all jener Menschen sucht, um mit ihnen ein Wort auszutauschen, das in Wahrheit gar nicht seines ist.

Als ich ein Junge war, bezeichnete mich ein Freund als „Exhibitionist“ und ich glaube, er hatte Recht. Vielleicht wird er dieses Buch sehen und wird sagen, dass ich mich nicht verändert und eine exhibitionistische monastische Gemeinschaft gegründet habe und das ohne jene mildernde jugendliche Verantwortungslosigkeit.

Irgendwie denke ich, dass der Exhibitionismus Ausdruck eines großen Mangels an Selbstvertrauen ist und des Suchens nach Anerkennung. Im Herzeigen seiner selbst wird die Bestätigung des Wertes unseres Daseinsund unserer Funktion in dieser Welt gesucht. Mit den Jahren erscheint mir auch mein Exhibitionismus doch ein wenig gewandelt: weniger auf das Ich zentriert, sondern durch Gnade und Buße dezentriert, indem die eigene Wahrheit in der transzendenten, interpersonalen und kosmischen  Beziehung gesucht wird, in der Teilhabe an dem einzigen Opfer und der einzigen Gabe. Also, statt sich selbst vorzuzeigen, geht es nun darum, die Bezie-hung vorzuzeigen, damit alle daran teilhaben können, sich daran freuen, davon angezogen werden; Ruhm und nicht  Eitelkeit, Gefallen miteinander und nicht Selbstgefälligkeit. Mit unserem  Ruhm, unserer Ehre ist es nicht weit her, wir haben noch soviel zu verbergen. Aber der Herr ist gut und durch die Bilder haben wir Gelegenheit, unsere Liebe zu ihm zu zeigen. Im Zeigen, im Herzeigen seiner selbst, in der Entkleidung und im Verbleiben in einem Zustand der spirituellen  und psycho-logischen Nacktheit vor dem Fotografen, vor seinem Apparat und vor allen, die es sehen werden, haben wir die nicht risikofreie Gelegenheit, unser eigenes Lieben zu zeigen, es von den Dächern zu schreien und auf den Plätzen zu verkünden.

Wir Ordensleute verweisen auf uns selbst, wenn wir meinen, es gäbe keine andere Gelegenheit, um Berufungen zu wecken. Jesus von Nazareth dagegen wurde ans Kreuz erhöht, um „alle an sich zu ziehen“. Mir scheint, diese Welt braucht einerseits die Verkündigung, andererseits aber hat sie die Worte satt. Bald wird sie auch die Bilder satt haben. Es wird weiterhin nötig sein, mit Worten und Bildern zu predigen, aber auf neue Weise begleitet von „rettenden Gesten“, von Sakramenten, Wundern und einem einfachen, bescheidenen, anziehenden Leben nach dem Evangelium. Der Prediger richtet sich meist durch seine eigene Predigt. Deine Bilder sind für uns ein Anruf, eine Aufforderung, eine Mahnung, ein Programm und nicht zuletzt eine Ermutigung.

Symeon der Säulensteher, ein syrischer Landsmann aus dem 5. Jahrhundert, stieg auf die Spitze einer Säule nahe Aleppo und blieb dort oben, jahrzehntelang, bis zu seinem Tod. Zu Tausenden kamen die Menschen, um ihn zu sehen. Und er war dort oben und betete und predigte. Er war in jener Zeit ein erfolgreicher Verkünder und nicht wenige folgten seinem Beispiel. Genau in St. Symeon war es, im Jahr 1981, dass ich von dort oben ein Zeichen verlangte, welche Prioritäten seitens unserer Kirche in jenem Irrenhaus von Nahem Osten nötig seien. Er stellte nicht sich selbst auf die Säule, wie es die römischen Herrscher taten, sondern seine spirituelle Beziehung zu Gott. Diese ist würdig, auf die Säule gestellt zu werden, vorgezeigt und verkündet.

Außer dem ans Licht getretenen eigenen Ungenügen besteht das Risiko darin, dass die Beziehung so stark sein und zum Skandal und zum Martyrium drängen kann. Für die Beziehung bestünde die Gelegenheit, sich endgültig zu zeigen, sich zu erkennen zu geben und wenn es angesichts der Notwendigkeit ist, wer die schmutzige Arbeit zu tun hat, und in der Milde und Demut des Herzens.

Das Leben bemüht sich, uns so weit zu demütigen, wie es für unsere Rettung notwendig ist. Uns bleibt jetzt das schöne Buch!

Dein

Paolo

 

German