Brief an die Freunde 2003

 

Liebe Freunde, liebe Familien,

dieser Brief beginnt an einem Mittwoch im November 2003, während ich mich auf der Durchfahrt in Homs befinde, der wichtigsten Stadt Mittelsyriens.

Übermorgen werde ich mit Pater Jacques in den Libanon fahren, um die Vertreter von zwei Organisationen zu treffen, die uns in der Vergangenheit viel geholfen haben und von denen wir hoffen, dass sie es auch in Zukunft tun werden.

Am Nachmittag werde ich in Aleppo Gast einer muslimischen mystischen Bruderschaft sein. Wir werden zusammen gegen 17 Uhr das Fasten brechen und dann wird das Dhikr stattfinden, der mystische Tanz. Der Vorsteher der Bruderschaft, Abu l-Huda l-Husayn, ist unser Freund; er war schön öfter zu Konferenzen, Seminarien und zu interreligiösen Gebetstreffen in Deir Mar Musa. Auch ein gemeinsamer Freund wird dabei sein, der Pastor Bishara, verantwortlich für ein evangelisch-armenisches Sozialwerk in Aleppo; er gehört zu den liebsten und aufrichtigsten Freunden von Deir Mar Musa.

Der Begriff „interreligiös“ ist zudifferenzieren, sonst birgt er eine Bedeutung von Unwegsamkeit, die der Dialog nur korrigieren würde, indem er Übergänge und Checkpoints schafft. Warum nicht von multireligiösen Beziehungen oder Dialogen sprechen, zum Beispiel in Analogie zu den Multimedien? Manche reden vom interreligiösen Dialog im Sinne einer Identitätsvermischung.

Zur Zeit bin ich ziemlich beständig im Kloster, weil Ramona im Ignatiusjahr zusammen mit drei anderen Personen mit geistlichen Übungen beschäftigt ist.

Der Monat der Einkehr – die Ignatianischen Exerzitien in Deir Mar Musa – bestätigt sich im Jahr darauf als eine Verabredung mit der Gnade, eine kostbare Gelegenheit einer wesenhaften und mystischen Initiation des Sakramentes Christus - Kirche.

In Aleppo werde ich auch die Mutter eines unserer lieben Freunde besuchen, der ein Jahr bei uns in Deir Mar Musa verbracht hat und der plötzlich gestorben ist und drei Kinder hinterließ. Ich denke an den Tod und an das Heimweh, das uns immer begleitet.

Die Hoffnung, das „ewige Leben“ zu erlangen, die auf dem Glauben an die Auferstehung Jesu von Nazareth gründet, verbindet sich mit dem Blick, den ich auf mich selbst richte und auf alle Leute in der Stadt und auf dem Markt. Wenige sind es, die das islamische Fasten nicht einhalten. Auch wer nicht fastet, vermeidet es, in der Öffentlichkeit zu rauchen oder zu essen. Der Monat Ramadan nähert sich seinem Höhepunkt, der Nacht des Schicksals, in der die Herabkunft der Offenbarung auf den Propheten Mohammed, aber auch auf Moses und Jesus gefeiert wird.

All diese Menschen glauben an das ewige Leben. Was mich am meisten berührt, ist der Kontrast zwischen der Begrenztheit, der Zerbrechlichkeit, manchmal offenkundig des Nichtseins der Person und dieser unendlichen überirdischen Bestimmung. Dort ist die Unendlichkeit nicht mehr Raum und Zeit, wenn auch nichts ganz anderes als Raum und Zeit. Man denke an die Beziehung zwischen der Ewigkeit Gottes und dem Raum und der Zeit, der Beziehung zwischen Schöpfung und Menschwerdung.... . Ich bin betroffen von dieser absoluten Würdigkeit der Person und bin auf den Augenblick rückverwiesen, auf die Unendlichkeit des Augenblicks, angesichts der Endlichkeit des Augenblicks, der vielleicht sogar vorstellbar ist als Dauer des Unendlichen.

Und nun nochmals die Sehnsucht: Wärme und liebevolle Farbigkeit, in der Erinnerung gegründet....... Ich bemerke, dass mein Blick voll Liebe ist, nostalgisch, auch in der Hinwendung zur Gegenwart, auf die Menschen, auf die Blätter, die vom Hüpfen der Vögel und vom sanften Wind dieses Herbsttages bewegt werden....

Ramadan

Ich schreibe im Dezember mit dem Brief weiter. Das muslimische Fasten ist beendet. Es war für uns eine große Gnade, die muslimische Gemeinde in dieser geistlichen Übung begleitet zu haben. Mit mir haben die beiden Novizen des ersten Jahres, (Dima, vierundzwanzigjährig aus Homs und Fréderic, ein dreissigjähriger Savoyarde) den Ramadan gehalten.

Es gibt Christen, die uns vorwerfen, wir ließen die traditionellen Fastenpraktiken der orientalischen Christen ausser acht, um Praktiken von „anderswo“ anzunehmen. Das bringt uns zu einer gewissen Elastizität, indem wir das Fasten am Sonntag unterlassen und dort, wo es die Sensibilität „der unseren“ stören oder die Liebe verletzen würde.

Es bleibt dabei, dass es für uns Jünger des Jesus von Nazareth und Schüler des Paulus von Tarsus grundlegend für unsere christliche und kirchliche Existenz ist, uns zu (kulturell, religiös und spirituell verstanden) Nächsten denen gegenüber zu machen, zu denen der Geist uns drängt. Es geht nicht darum, uns den Gesetzen der Religionen zu unterwerfen, nachdem wir vom Joch des Moses befreit wurden. Es geht darum, dem Gesetz des Messias zu folgen, der uns lehrte, das als unrein zu betrachten, was aus dem Herzen kommt und nicht das, was durch den Mund eintritt und verdaut wird.

Jesus hat gefastet, davon berichten uns die Evangelien. Dennoch wurde er angeklagt, ein Fresser zu sein, da er die Tischgemeinschaft schätzte, besonders mit Sündern und wenig Geachteten, wodurch er die legalistische Tradition der Pharisäer in Frage stellte.... Trotzdem sagte er, dass seine Jünger fasten würden, wenn ihnen der Bräutigam entrissen wird.

Die gegenwärtige Zeit ist eingespannt zwischen Abwesenheit und Gegenwart, zwischen Fasten und Mahlgemeinschaft. Es ist grundlegend für die Kirche Jesu (es ist Sunna, Nachahmung, Tradition), die Menschen in ihrem Fasten zu begleiten und sich dann mit ihnen zu Tisch zu setzen, wie es der Menschensohn tat. Paulus ermahnte auch Petrus in Antiochien zu dieser christlichen Pflicht der Tischgemeinschaft mit den Völkern. Der muslimische Ramadan, bei dem sich Fasten am Tag und abendliches Festmahl abwechseln, bietet uns offensichtlich eine Vision, in der sich die Schule des Aufstiegs (nötig für eine Humanisierung jenseits von Instinkt oder absolut gesetzter Bedürfnisse) mit dem Fest der Danksagung vereinigt und harmonisiert, fähig macht zur Solidarität und zur Gerechtigkeit gegenüber den Hungrigen und Gott dankbar für die Gaben der Schöpfung und für das Leben als Geschenk.

In Deir Mar Musa haben wir etwa zwanzig Friedenspilger, mehrheitlich aus den Vereinigten Staaten, herbergt, die vom Sufi Way, dem Sufi-Weg unserer Freunde Elias und Rabia zusammengebracht wurden. Es war dies auch eine Gelegenheit, über dieses schreckliche Jahr nachzudenken.

Keiner wird sich erdreisten, mit seiner eigenen kleinen Meinung eine so komplexe Welt wie unsere erfassen zu wollen. Ich meine, nur die vernetzten und konvergierenden Dynamiken können uns einen Ausweg aus den derzeitigen Gegensätzen und Kontrasten weisen.

Den Islam und die muslimische Welt mit dem Reich des Bösen und der ewigen Rückständigkeit gleich zu setzen, ist ein großer doktrinaler Fehler mit schweren Folgen für uns alle. Umgekehrt: im Westen nur die Quelle jeglicher politischer, ökonomischer und spiritueller Bedrückung zu sehen, ist eine schuldhafte Unwahrheit, die nur Hoffnungslosigkeit und Gewalt hervorruft.

Das Fehlen eines wirksamen Bemühens vieler Nationen um die Schaffung der Sicherheit, der Demokratie und des Respekts vor den Menschenrechten überall auf der Welt (beginnend mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit , auf Nahrung und auf Gesundheit) und die Förderung ökonomischer und strategischer Allianzen mit den werteneutralen Regimes schaffte den kulturellen Raum und die konkrete geschichtliche Notwendigkeit für das Entstehen des US-amerikanischen Imperialismus.

Es gibt keinen Weg zurück, man muss auf dem Weg einer kollektiven Selbstverantwortung weiterschreiten, solidarisch, pluralistisch und imstande, diktatorische Regimes mit konzertierter Polizeigewalt, mit möglichst wenig Gewalt und möglichst wenig Gefahr für die betreffende Bevölkerung zu beseitigen. Die Lösung solcher Probleme müsste wahrscheinlich völlig anders aussehen, als es durch die Sanktionen in den neunziger Jahren im Irak geschah, um gute Resultate zu erzielen.

Jetzt geht es darum, lokale Auswahlen zu treffen verbunden mit einer globalen Vision, die in den Widersprüchlichkeiten des Heute verwirklicht wird.

Es scheint uns, dass hinter einem gewissen Antiamerikanismus sich konkurrierende und dazu nicht wirklich alternative Projekte verbergen. Die Alternative besteht nicht so sehr in Opposition zwischen den Völkern, als vielmehr in kultureller, politischer und ökonomischer Solidarität unter den Bürgern dieser Welt. Die Jungen, besonders in der Dritten Welt, soviel es mir zu sehen möglich ist, denken sehr viel mehr in Begriffen wie dem Zugang zu Rechten der Person und der Gruppe (religiöser Gruppen zum Beispiel) und in Begriffen der nationalen Individualität (oft ein Erbe des Kolonialismus). Die oft auch aggressive Emigration ist eine Weise, um das fundamentale Recht auf ein menschliches Leben zu erreichen, das diesen Namen verdient.

Selbstmordattentate – Märtyreroperationen

Es ist wichtig, auch etwas von unserem Nachdenken über die Tragödie der Selbstmordattentate mitzuteilen, die in arabisch oft „Märtyreroperationen“ genannt werden.

Nach dem 11.09. 2001 schrieb ich einen offenen Brief an den Botschafter der Vereinigten Staaten hier in Damaskus, in dem ich ihm, und sicher nicht nur ihm, zu sagen versuchte, dass die Strategie der Selbstmordattentate wirklich selbstmörderisch ist.

Vor jeder moralischen Betrachtung provozieren diese Attacken einen derartigen psychologischen Abscheu in der weltweiten öffentlichen und lokalen Meinung, sie machen die Menschen blind gegenüber den vielleicht sogar gut begründbaren objektiven Anliegen, auf die durch diese Terrorakte aufmerksam gemacht werden soll. Dieser Abscheu aus Angst erhöht sich unverhältnismäßig, wenn die Attentate durch geheime und weltumspannende Organisationen wie Al-Kaida ausgeführt werden und soweit sie nicht unterscheiden zwischen unbewaffneten Zivilisten und Militärs bzw. den Verantwortlichen für die Verbrechen, die man bekämpfen möchte.

Das bedeutet natürlich in keiner Weise, dass, wer Selbstmordattentate verurteilt, das Recht hat, in ebenso unmenschlicher Weise zu antworten und dabei von der eigenen überlegenen technologischen und taktischen Überlegenheit zu profitieren. Die israelischen und US-amerikanischen Träger des Gewissens bieten der Welt, sicher auch der muslimischen Welt, maßgebliche Beispiele für einen alternativen Weg, nämlich den der transglobalen und transnationalen Humanität.

Einige Analysten unterscheiden zwischen Attentaten, die an gewisse lokale und zeitliche Problematiken gebunden sind und Attentaten, die Ausdruck einer globalen und apokalyptischen Strategie sind. Die in örtlichen Bedingungen der Unterdrückung durchgeführten Selbstmordattentate, z.B. in Palästina-Israel, in Tschetschenien oder in Sri Lanka, sind nicht mit globalen terroristischen Strategien verbunden und darum von ihnen zu unterscheiden. Es ist zwar eine Vernetzung, eine Komplizenschaft und Solidarisierung unter ihnen nicht auszuschließen, die von der Mafia über Terrorbewegungen marxistischer Inspiration bis hin zu den Bereichen der Geheimdienste und nationalen Sicherheitsdienste reichen können.

Es ist notwendig darauf hinzuweisen, dass die scharfe Unterstreichung einiger bedeutender katholischer Autoren über die Berechtigung und Aktivität der intelligence, das heisst der Spionage , als Alternative zum „Vorbeugekrieg“ und dem Terrorismus, der vom „Bushismus“ praktiziert wird, zu ignorieren scheint, dass die Spione die selben dunklen Bereiche nutzen, in denen die Weltkriminalität und

ebenso die Terroristen leben und blühen. Sicher werden alle nützlichen Informationen gesammelt, um diese Krebsgeschwüre zu bekämpfen, aber nur die politische, finanziäre und gesellschaftliche Transparenz, zusammen mit der Demokratisierung, werden über den terroristischen Sumpf siegen.

Wer heute verantwortungslos oder schuldhaft meint, den Wunsch nach Demokratisierung der Völker, namentlich der Jungen der Dritten Welt demütigen zu können, indem er sich in Ideen über kulturelle Verschiedenheit, anthropologische Unterschiedlichkeit und moralisches Ungenügen der nicht-westlichen Menschen (besonders der Muslime, besonders wenn sie zu den Erdölförderern gehören, man bedenke!) ergeht, spielt das Spiel mit oder nimmt am neokolonialistischen Spiel der großen Finanzkonzerne teil. Die Tatsache, dass dies tatsächlich auf manche Nationalisten diktatorischer Regimes und mehr oder weniger gekrönte Häupter der Dritten Welt zutreffen mag, ändert oder rechtfertigt nichts.

Die Unterwerfung des Irak (es ist ein Beispiel, aber nicht das einzige), durch die Sanktionen der Neunzigerjahre seitens der großen Erdölfinanz mit direkten und indirekten, sowohl europäischen als auch russischen und amerikanischen, Interessen war ein wahres neokolonialistisches Verbrechen, das noch verstärkt wurde durch einen sowohl neoimperialistischen wie falsch verstanden messianischen Krieg, der nur durch die Emotionswelle nach dem 11. September möglich war. Jetzt ebbt die Woge ab. Der Krieg, wie jeder Krieg, erntet seine Früchte und die giftigen alten Akteure kommen wieder, um uns die Mär von der Demokratieunfähigkeit der Muslime zu erzählen Und wer weiß, ob die Anhänger von Bush und die von Bin Laden nicht zu Freunden werden?

Aber kehren wir zu den strategischen Selbstmorden zurück. Es ist wahr, es ist ein wichtiger Unterschied zwischen der berauschenden Ideologie des islamistischen globalen Terrorismus, und der, wenn auch krankhaften Ideologie, die hinter den Selbstmordattentaten in Palästina-Israel oder im Irak, in Tschetschenien oder wo auch immer steckt. Die Tatsache, dass es da mögliche Verbindungen geben könnte, ändert nichts an dem Unterschied. Es ist wahr, dass es konkrete und gerechte (wenigstens lebbare) Lösungen im örtlichen Bereich gibt, und wenn eine Autorität oder Regierung der jeweiligen Bevölkerung in dezenter Autonomie gegenübertritt, dann sinkt die Spannung und die Selbstmordattentate verschwinden.

Ich denke auch, dass nach langer Zeit und trotz aller Schwierigkeiten, wenn die „Weltregierung“ sich unter der Direttive von Gleichheit und Solidarität, im Respekt vor der Verschiedenheit und der vielgestaltigen Hoffnungen entwickelt, dann auch das schmutzige und faulige Wasser verschwinden wird, in dem die Fische des weltweiten Terrorismus schwimmen.

Letztendlich glaube ich sagen zu müssen, dass die Selbstmordattentate eine geistige (spirituelle) Krankheit darstellen, die schlimmer ist als der eventuelle Verlust von Territorien. Denn sie stellen eine symbolisch und manchmal fast liturgisch anmutende Absolutsetzung des Hasses dar, der sich bis ins Jenseits fortsetzt, in die Welt Gottes, jenseits des Todes in schrecklichen Paradiesen. Sie symbolisieren durch die Wahl dieser Strategien die absolute Wertlosigkeit des menschlichen Lebens gegenüber den mythischen Werten und gewissen Kollektiven. Es wird die Unverletzlichkeit der Person geleugnet, auch der Zivilbevölkerung, auch der Kinder (auch Hamas, in Gaza, musste schliesslich unter dem Druck der Verzweiflung der Familien etwas gegen das Anwachsen der Selbstmordwelle unter den Kindern unternehmen). Es geht der Sinn des theologischen Wertes des irdischen Lebens verloren, das ersetzt wird durch fantastische Paradiese, seltsamerweise vergleichbar jenen, die im Fernsehen den Armen dieser Erde angeboten werden. Tod und Leiden werden banalisiert und das Opfer ins Monströse aufgewertet.

Ich habe es arabisch gesagt und wiederhole es hier: Ich habe Verständnis für die Motivation, die Absicht und die letzte Sinndeutung einiger Personen, die beschlossen haben, sich in dieser Weise für ein Ideal der Wiedererlangung der Gerechtigkeit zu opfern. Aber es bleibt die geistliche, moralische und strategische Kritik an einer solchen Wahl. Eine solche Kritik muss sich mit dem Bemühen verbinden, die Bedingungen des Unrechts zu bekämpfen, die Nährboden und auslösendes Element solcher Entscheidungen sind.

Eines Tages wird ein großes Fest sein, an dem zu Erwachsenen gewordene Kinder und zu Kindern gewordene Erwachsene teilnehmen werden. Es wird ein Fest im ganzen Land sein („heilig“ nennen es die Christen, „gesegnet“ die Muslime, „verheissen“ die Juden, vom Hermon bis Gaza, von Tiberias zum Negev, vom Meer bis zum Fluss, in Jerusalem, in Hebron, in Ramallah, in Nazareth. Die Mauer wird abgerissen sein, man wird nicht mehr wissen, wo sie stand. Die von den Kolonien reservierten Wege werden zu baumbestandenen Alleen und blühenden Hecken. Ismael wird Isaak umarmen und jener wird die Brust des Bruders mit Tränen benetzen. Sie werden sich an der Hand halten und gemeinsam am Grab Abrahams sitzen, aus dem der Lobgesang und der jubelnde Hymnus klingen. Nur der Eifer für das Haus des Herrn, des Freundes der Menschen, wird im Herzen Saras wohnen und Freudentränen werden den Kummer Hagars wegschwemmen. Die gegenseitige Gastfreundschaft wird das Gesetz des Landes sein. Die gemischten Ehen wird man nicht mehr zählen und keiner wird mehr die Kleider wegen der Liebe der einen zu den anderen zerreissen. Die Kinder werden zusammen spielen und niemand wird daran etwas auszusetzen haben, weder in hebräisch noch in arabisch. Der Freitag und der Samstag werden ein einziger Tag des Herrn sein, Beginn einer Woche des Friedens für siebenhunderttausend Jahre, gekrönt von der Ewigkeit. In Dschidda wird man den Namen des Gottes des Mose anrufen und in Tel Aviv den Mohammeds. Wer aus Mekka zurückkehrt, wird den treffen, der aus Jerusalem kommt und die Bewohner der Erde werden ausrufen: „Seht, wie sie einander lieben!“. Die Jünger des Nazareners werden sich der Überheblichkeit entkleiden und den Pilgern behilflich sein, sie werden sie begleiten und Gott loben im Geist und in der Wahrheit. Die Gebeine der Selbstmörder und der Märtyrer werden von der Vergebung reingewaschen, die Mörder vergehen vor Reue und alle werden auferstehen in einer einzigen Umarmung des Vaters.

Dialoge

Das Jahr 2003 hat uns aufgerufen, unser Gewissen und unsere Berufung angesichts der dramatischen Entwicklung unserer Region und der Weltgemeinschaft zu vertiefen.

Im Februar hatten wir in der Europäischen Kommission eine Dialogkonferenz mit einer Delegation des Europäischen Parlaments und einer Auswahl von muslimischen religiösen Führern über „parlamentarische Demokratie in muslimischer Perspektive“ organisiert. Wieder einmal wurde der Durst nach einer wahren Demokratie in der muslimischen Welt spürbar, zugleich mit der Nichtakzeptanz der Teilnahme an einem Projekt und einem globalisierenden westlichen Modell neoimperialer Natur.

Im September werden wir nochmals mit der Britischen Botschaft ein Treffen zwischen Offizieren und einer internationalen Studiengruppe und ein Zusammentreffen von örtlichen muslimischen und ostchristlichen Religionsführern haben. Das Thema:“ Die Rolle der Religionen bei der Lösung der Konflikte und das Zerbrechen des Teufelskreises der Gewalt“. Nun zwei der eingebrachten Eindrücke: der erste ist, dass der religiöse Mensch Quell einer Vision sein kann, die jenseits aller zeitlichen Vorstellungen und aller Begriffe der weltlichen Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit die Herzen für eine Vergebung und eine Versöhnung öffnen kann, die die „Welt“ nicht kennt. Auf der anderen Seite aber ist der Anspruch einer gelebten und bezeugten Gerechtigkeit seitens religiös gebundener Menschen dramatischer und absoluter, weniger auf Vorschriften bezogen, verfügbarer im Kampf und für das Martyrium als seitens der „Laien“. Von hier kommt die erstrebenswerte wechselseitige Interaktion von religiösen Grundlagen und weltlichem Pragmatismus.

Wir hatten im Mai 2003 auch eine interreligiöse Studiengruppe über das Thema „der Lobpreis“ zu Gast, die dazu dienen sollte, einen Artikel in einer Enzyklopädie über den Koran zu schreiben, aber die uns vor allem dazu verhalf, dieses Thema angesichts der augenblicklichen Befürchtungen und Ängste wieder aufzunehmen und von neuem zu den spirituellen Erfahrungen hinzutreten, die, ohne sich von der Geschichte abtrennen zu wollen, sich dennoch tieferen und definitiven Horizonten des Verständnisses öffnen.

Im November hatten wir eine pazifistische Sufi-Gruppe aus Amerika bei uns, organisiert von unseren Freunden Elias und Rabia. Mit ihnen wurde versucht, über die kulturelle und spirituelle Situation nachzudenken und aus den zu einfachen Verallgemeinerungen wie Amerikanismus und Antiamerikanismus herauszukommen. Die Kontakte, die wir mit unseren muslimischen Freunden, sowohl Sunniten als Schiiten hatten, halfen jedem von uns, sich der muslimischen Wirklichkeit im Moment der Suche der eigenen Rolle im Konzert von heute bewusst zu werden.

Wir in Mar Musa sind politisch gesehen und gemäß dem Evangelium gegen den Krieg und gegen Gewaltstrategien, weil wir meinen, die Menschheit habe nunmehr die Mittel zur Verfügung, um den Frieden zu erreichen und das Recht auf gewaltfreie Weise zu schützen, was keineswegs Schwäche und Nachgeben bedeutet. Durch unsere zahlreichen Kontakte sind wir vielleicht mehr als andere imstande, die Gründe für die einen und die anderen zu sehen und wir fühlen uns nicht berufen; Partei in jener verzweigten und vernetzten Bewegung der „alternativen Mundialisierung “ zu ergreifen (alternativ zu jener westlichen finanziären und militärischen), die sich mehr als korrektives Projekt einer unaufhaltbaren Dynamik versteht denn als Projekt einer anderen konkurrierenden Welt, wie es in der sterilen und blutigen Ära der beiden Blöcke, des kommunistischen und es kapitalistischen, war. Gewiss fühlen wir uns in einer monopolaren Welt nicht zuhause und wir sehen die Wichtigkeit der Entwicklung der anderen Pole (Europa, China, Russland, Indien, Lateinamerika) die turko - asiatische Welt, die arabische Welt usw.). Vor allem glauben wir an die Wertschätzung des Pluralismus der Zivilisationen und ganz besonders sind wir bemüht, als Jünger Jesu hier im Orient an der Entwicklung unserer muslimischen Umwelt im Dialog und in Gemeinschaft durch unsere christliche Erfahrung teilzunehmen und das in Freude und schöpferischer Hoffnung.

Schiitisches Weihnachten

Am 24. Dezember 2003 lud mich der iranische Direktor der theologischen schiitischen Universität in Damaskus ein, eine Konferenz über Weihnachten in der Moschee der Fakultät vor etwa hundert Studenten von unterschiedlicher geografischer Herkunft zu halten. Es war eine wirklich gesegnete Begegnung, offen auf das Tun Gottes - Allah- hin für das Wohl seiner wertvollsten und liebsten Geschöpfe. Am Ende bekam ich ein Geschenk: in einem schönen weihnachtlichen Päckchen überreichte man mir eine Ausgabe des edlen Kur´an und ein Kupferteller mit der Abbildung des leidenden Antlitzes des Herrn Jesus. Und aus der Tiefe des Herzens konnte ich sagen: „Das ist das schönste Weihnachtsgeschenk meines Lebens!“

In diesen Tagen die Bibel lesen

In der Gemeinschaft lesen wir täglich die Heilige Schrift, quer durch die Kapitel, ohne die Texte auszuwählen, um uns so vom inneren Gleichgewicht des Buches, was die die Menge, die vorherrschenden Themen, die Entwicklungen, die Widersprüche usw. anbelangt, anrühren zu lassen. In den letzten Monaten haben wir die Bücher Mose und das Buch Josua wieder gelesen. Ich muss sagen, dass die Lektüre dieser Texte angesichts unserer regionalen Geschichte und des aktuellen Zusammenhangs teilweise schwierig ist.

Es ist eine Tatsache, dass die USA und Israel in einem Projekt verbündet sind, das Terrorismus provoziert und produziert. In den Irak wurde mit dem Vorwand der Massenvernichtungswaffen eineinmarschiert und es wurde nichts gefunden, während Israel solche produziert und hortet und auch ständig darauf besteht, sie auch einzusetzen. In den Irak ging man, um Demokratie zu bringen (es ist nur zu hoffen, dass nicht auch das sich als kolossale Lüge wie jene mit den angeblichen Massenvernichtungswaffen herausstellt) und die israelische Regierung Sharon, der treueste Verbündete der USA, zerstört jede Möglichkeit nicht nur des demokratischen Lebens für das palästinensische Volk und korrumpiert definitiv von der Wurzel her die demokratische Natur des eigenen Volkes.

Ich hoffe nur, noch so lange leben zu können, um den Fall der Mauer von Sharon mitzuerleben oder gar daran teilnehmen zu dürfen, die mir in nächtlichen Alpträumen erscheint, so wie ich die Freude hatte, die Berliner Mauer fallen zu sehen, die meine kindlichen Träume ängstigte.

Ich habe oft, ohne Erfolg, verlangt, dass ein Treffen zwischen im vollen Dialog mit dem Judentum , speziell mit dem israelischen Judentum befindlichen christlichen Theologen und mit im vollen Dialog mit dem Islam des Nahen Ostens stehenden christlichen Theologen organisiert würde..... Tatsächlich sind wir in der Kirche in prozionistische und antizionistische Christen geteilt. Der schwere, aber oberflächliche Vorwurf des Antisemitismus und eines erneuten Holocaust fliegt von den einen zu den anderen und zu den Medien in einer für das Bewusstsein des Glaubens und des Zeugnisses der Kirche Jesu sehr gefährlichen Weise, angesichts des Jesus, der selbst die Mauer des Hasses und der Trennung niedergerissen hat. Hier sind es, und vor allem, religiöse Motive, die dem Hass und dem grausamen Kampf zwischen Israelis und Arabern im Heiligen Land entgegen zu halten sind. Welch ein Verhalten von Christen: um sich von Schuldgefühlen hinsichtlich des Vergangenen zu befreien, belädt man sich mit neuer Schuld.

Das biblische Gottesgeschenk des Landes Kanaan an das Volk Israel muss durch eine dynamische, prophetische und kreative Lesung der Bibel radikal hinterfragt werden; nicht gegen die Kinder Israels, sondern gemeinsam mit ihnen und mit den Muslimen. Man kann und man muss auch wegen der selben Gründe die islamische Theologisierung des Rechtes kritisieren – die Pflicht, das Heilige Land als eschatologische Bestätigung der Überlegenheit und Endgültigkeit der koranischen Offenbarung zu besitzen.

Man kann und man muss im Dialog auch den dramatischen Anspruch der zwei Kampfsubjekte und der beiden Nationen in ihrem scharfen Kontrast wahrnehmen, weil das Recht auf das Land von beiden als heilig und unveräußerlich beansprucht wird, und daher materialistische Ideen über die Geschichte und nicht in dieser Wirklichkeit wurzelnde Ideen über das Land zurückgewiesen werden. Deswegen sagen wir seit Jahren, dass das Wort „Waffenruhe“ für diese Situation geeigneter ist als „Frieden“, da der Zionismus in seiner religiösen Form das ganze Heilige Land kolonisieren will und die arabisch-palästinensische Bewegung, ebenso religiös, es in Gänze befreien will.

Das Elend besteht darin, dass die antiislamische Stimmung, die heute in Europa und in Amerika anzutreffen ist, in der Findung und Errichtung einer symbolischen Basis im Heiligen Land und dem Wunsch der endgültigen westlichen Vorherrschaft durch die Ausübung der israelischen Übermacht endet.

So lange wir uns nicht vom Konzept der Abschreckung als einer Quelle der Gefahr und der Bedrohung für unsere Identität befreien und solange wir nicht im Dialog und in der vielgestaltigen Harmonie den Ort der Verwandlung unserer Identität finden, so lange wird das Heilige Land der tragische Zeuge der spirituellen Unfruchtbarkeit des Judentums, des Islam und des Christentums bleiben. Die ersten beiden sind viel zu oft von fundamentalistischen Einstellungen im politischen Verständnis der heiligen Texte gleichsam sterilisiert und die dritte, sofern sie nicht auch fundamentalisiert ist, wegen ihres fehlenden politischen Vertrauens in das Evangelium unfruchtbar wurde, indem wir nicht einmal die Instrumente zur Wertschätzung der jüdischen und muslimischen Ansprüche finden können. Solche Ansprüche (Heiligkeit der Welt durch Kult und Gerechtigkeit, Identifizierung und Kampf gegen den Götzendienst, Heiligkeit der Politik, Aufruf zum geschichtlichen und sozialen Monotheismus) sind einmal von einem wirklichen christlichen, weil demütigem, dialogischem und opferbereiten Zeugnis befruchtet worden, von einer Verklärung, die alle betrifft. Das Leben, die Vorsehung haben uns an diesen Platz östlich der Mauer von Sharon gestellt, aber die Erfahrung und der Glaube bringen uns dazu, die Versöhnung, zu suchen, beim eigenen Herzen zu beginnen und in der eigenen Gemeinschaft, um ein Heiliges Land zu schaffen, das anziehend ist, vereint in Gemeinschaft und durch Gerechtigkeit.

Parks

Zur Zeit bemühen wir uns in Syrien darum, aus dem Kloster einen Ort der Gemeinschaft und Versöhnung zu schaffen. Das Tal des Klosters steht kurz davor, zum Nationalpark erklärt zu werden. Es wird ein Park zum Schutz der Umwelt und des wichtigen kulturellen Erbes werden. Es verdient, gesagt zu werden, dass der kulturelle Wert von Deir Mar Musa in bewundernswerter Art durch die Arbeit der italienisch-syrischen Restaurierungswerkstätte und –schule gesteigert wurde, die glücklich ihre Aktivität im September beendet hat, finanziert von einem europäischen Projekt. Es wird vor allem ein spiritueller Park der Erziehung zur Versöhnung werden.

Und in der selben Perspektive, die wir offen und bei jeder Gelegenheit darlegen, , liegt die Schaffung eines Parks, zugleich national und der ganzen Welt gehörend,

an den Golanhöhen und am Hermon. Die Waffen werden uns das Land nicht zurückgeben. Die Attentate dienen nur dazu, die Errichtung der Mauern zu rechtfertigen, die Fortführung der Besetzung, das imperialistische Vorgehen und die Verwirklichung der Vertreibung der Bevölkerung. Es ist nötig, eine Strategie des kreativen Widerstands im kulturellen Bereich einzuüben, der im Stand ist, eine wirksame Solidarität zu aktivieren.

Es handelt sich darum, wie ich hier und oft jedem sage, der Ohren hat um zu hören,, die Wahlen in Tel Aviv zu gewinnen, in Washington, und in Brüssel. Sicher, vor allem geht es darum, die demokratische und finanziäre Reform im eigenen Innenbereich und im eigenen Interesse weiterzuführen. Dann geht es um die Teilnahme an jenen Weltbewegungen, die auf dem internationalen Feld das nötige Gewicht schaffen könnten, um endlich für unsere regionalen Probleme eine Lösung zu finden. Deshalb ist der Gedanke an den Park von Golan und Hermon ein Planen für eine offene und friedliche Zukunft. Wir wollen uns die Grenzen wie Zonen der Begegnung vorstellen, ein Wiedergewinnen des nationalen Territoriums auf den Wegen des Friedens, des Zusammenlebens und des Teilens, ohne Angst vor Trennung. Wir schlagen vor, den Park auf syrischem Territorium in Zusammenarbeit mit dem Libanon und mit Jordanien zu beginnen, um die Welt zu überzeugen, dass die Rückgabe des Golan befreiend und von Gewinn für alle sein wird.

Die Personen

Ich habe diesen langen Brief im Zimmer eines Hotels in Barcelona wieder aufgenommen, wo gerade die Session des Weltparlaments der Religionen im Juli 2004 stattfindet. Elias hat mich dorthin eingeladen, auch um das Projekt zustande zu bringe, das „Pfad des Vertrauens; auf dem Weg mit der Familie Abrahams“ heisst. Es handelt sich um eine Reiseroute mit vorgegebenen Schritten und Etappen der interreligiösen Begegnung und Erziehungsprogrammen für Jugendliche aus aller Welt, die Zeugnis für ihren in spiritueller Erfahrung begründeten Friedenswillen ablegen und die den Nahen Osten von der Türkei zum Heiligen Land, von Haran bis Hebron-Al-Khalil durchqueren. Ich selbst bin von dieser Gemeinschaft der Zukunft fasziniert, die von tausend Anregungen und tausend Missverständnissen widerhallt, von der Notwendigkeit der Führung angesichts von tausend Verirrungen. Ich möchte mein Tagebuch und mein Herz mit Anfragen an die Bescheidenheit, den Wert der Beschränkung und des Ungenügens füllen.

Es gießt, während ich schreibe, es ist Sonntag Morgen, Elias ist nach London abgereist. Am Mittwoch werden wir mit einer Gruppe von Jesuiten, die sich um den interreligiösen Dialog mühen, nach Manresa und Montserrat fahren,. Es ist ein frommer Besuch an den Orten des Zeugnisses der Berufung von St. Ignatius von Loyola, unserem Meister der Universalität.

Vor einem Jahr, in Syrien, umgeben von der Liebe der Brüder des Jesuitenordens und der Brüder und Schwestern von Deir Mar Musa, habe ich meine letzten Gelübde in der Gesellschaft Jesu abgelegt, 28 Jahre nach meinem Eintritt ins Noviziat. Gleichnisse und Lebenskreise überschneiden sich, um überraschende Diagramme zu zeichnen, Reichtümer der Vorsehung. Aber die Kleinheit, die Grenze, der Augenblick, das Verweilen im offensichtlich Unbedeutenden, der Glaube an die Wiederholung..... , wenn diese Speise mir manchmal bitter wird: eine andere Speise wird mich nicht nähren können.

Im Februar fuhr Paolo in die Schweiz und nach Frankreich, um Freunde der Kommunität zu besuchen. Er verbrachte dort zwei Tage mit der Familie von Frédéric, um dann zusammen mit ihnen in die Türkei zu reisen, wo Freunde besucht wurden, welche dieselbe Spiritualität der Beziehung von Islam und Christentum leben. Die Reise nach Van war sehr bewegend und der Besuch auf der Kreuzinsel und bei der herrlichen Ruine der armenischen Kathedrale haben uns gedrängt, hier in Asien unsere Weihe zum Dienst der Versöhnung von Islam und Christentum in der Liebe des Jesus von Nazareth zu erneuern.

Im Mai, durch den Verdienst der lieben Francesca und Mario Peliti, wurde in Rom die Ausstellung der Fotos unseres Freundes Ivo Saglietti über das Leben in Deir Mar Musa in keiner geringeren als der Nationalgalerie der Modernen Kunst veranstaltet. Es gibt auch ein sehr schönes Buch von Paolo mit einer Einführung in arabisch und italienisch. Und es gibt schon Übersetzungen in französisch und bald auch in englisch. Im März wird die Ausstellung, so Gott will, in der Nationalbibliothek in Damaskus wiederholt.

Ramona hat beschlossen, die Gemeinschaft zu verlassen. Beten wir und alle Freunde von Deir Mar Musa für sie um Unterstützung und Beistand, zusammen mit dem aufrichtigsten Dank für ihre Großzügigkeit, mit der sie alle ihr aufgetragenen Aufgaben erledigt hat. Jetzt geht die Linie ihres Lebens, in wechselseitigem Leiden und in Träumen weiter, die darauf warten, sich Gestalt zu verschaffen.

Dima war froh über Hudas Rückkehr im Sommer zum Ende des zweijährigen Philosophiestudiums an der Gregorian. Im Oktober wird Huda wieder für ein dreijähriges Theologiestudium abreisen und Dima wird ein Monat in Damaskus in einer Gemeinschaft mit mental Behinderten verbringen, um schwimmen und gegebenenfalls auch auf dem Wasser gehen zu lernen.

Boutros beendet in Demut sein „Jahr der Buße“ und wird bald wieder voll in die Gemeinschaft integriert sein.

Gihad ist nach Cori zurückgekehrt, müde aber triumphierend am Ende seines ersten italienischen Jahres. Don Ottaviano hat ihn gut angenommen, als er gesehen hat, dass auch die lateinische Sprache unserem Maroniten nicht widersteht.

Jens wird für ein Jahr zwischen Philosophie und Theologie Atem schöpfen, um sich Anschlussstudien mit dem Christlichen Osten und den interreligiösen Beziehungen zu widmen. Der Großvater, ein Berliner Senator, glaubte seinen Augen nicht zu trauen, wie er diesen Enkel sich den Studien widmen sah. Wirkliche und echte Wunder!

Frédéric, ein dreißigjähriger Franzose, ist im Juli 2003 in das Noviziat eingetreten; er studiert arabisch mit gutem Erfolg. Er ist der treueste der Gemeinschaft beim vorgeschriebenen Rückzug in die Einsamkeit der Berge und hat uns schließlich durch die Kodifizierung eines wöchentlichen gemeinschaftlichen Ruhetags überrascht, ohne den die Gemeinschaft riskierte, in eine gewisse Sklaverei zu geraten. Wer jetzt an Dienstagen Deir Mar Musa besucht , der findet die Freunde der Gemeinschaft und die assoziierten Laien, nicht aber die Mitglieder dort vor. Das Experiment scheint geglückt zu sein und wird wahrscheinlich zur Institution...... Natürlich wird es immer Ausnahmen geben, wenn die Notwendigkeit oder die Liebe dazu drängen.

Ab September werden wir für zwei Jahre Diane bei uns haben, eine französische Volontärin, Agraringenieurin, die beim Agro-Umwelt- Projekt mithilft und auch um zu sehen, was der Herr von ihr will.

Bald werden wir Jona taufen, die Tochter von Mathilde und Claude. Sie ist die Lehrerin der Inkulturation in der bescheidenen Oase von Qaryatayn. Auch Sari, der kleine Junge von Amin und Rula, wird bald Christ werden. Dann wird George an der Reihe sein, der zweite Sohn von Marwan und Marva. Mihyar, eifersüchtig, beeilt sich zu heiraten.

Wir hatten im Kloster zwei schwere Unfälle, die zwei unserer Mitarbeiter, Mazin und Elias, betrafen. Die beiden wie durch ein Wunder von Mar Musa und der Chirurgie Geretteten führen uns dramatisch unsere Zerbrechlichkeit vor Augen. Gewiss ist die Solidarität unserer Familien und Freunde eine wirkliche Form der sozialen Absicherung und vor allem die tiefe Wurzel jeder Form von Sicherheit..... Trotzdem müssen wir uns besser organisieren, auch mit Hilfe spezifischer Kompetenzen vieler von euch.

Die Bauten

In Deir Mar Musa ist der große Saal Mary Kahil (mehr als hundertfünfzig Plätze) schon in Betrieb, wenn auch noch ein paar Monate Arbeit nötig sein werden, um das Stockwerk fertig zu stellen. Wir sehen noch drei Jahre Arbeit vor uns, um den Bau dieses Abschnittes zu beenden. Die Schwestern haben nicht so viele Jahre gewartet, um sich dann im neuen Bau einzurichten.

In Qaryatayn bewegen sich die Dinge in entmutigender Weise. Die anglo-syrische Archäologengruppe wird die Arbeit im August wieder aufnehmen. In der Zwischenzeit haben wir die gefährdete Kirche abgerissen, um auf dem ganzen Platz graben zu können. Wir werden sie mit den selben Steinen ein Stück entfernt wieder aufbauen. Pater Jacques hatte ein sehr schwieriges Jahr wegen der Gesundheit seiner Mutter und anderer familiärer Schwierigkeiten zu bestehen. Jetzt geht es ein bisschen besser. Danke an alle, die ihn in verschiedener weise unterstützt haben.

Dialog mit dem Vatikan

Als Gemeinschaft sind wir jetzt sehr bemüht, unsere Regeln auf der Basis der Beobachtungen durch den Vatikan zu verwirklichen. Es ist eine gute Sache, die uns zwingt, unseren kirchlichen Sinn zu vertiefen gemäß unserem besonderen Charisma. In der Zwischenzeit werden wir auch ein interreligiöses Seminar über „Die Wiedererkennung der Verschiedenheit“ stattfinden lassen.

Nach diesem Sommer wird Paolo in einem vertieften theologischen Austausch mit dem Heiligen Apostolischen Römischen Stuhl stehen. Es geht um dessen Position betreffend den interreligiösen Dialog. Wir haben das Gebet nötig und die Solidarität aller, damit dieser für die Geschichte von Deir Mar Musa wichtige Moment zu einem großen und von der Vorsehung geschenkten Moment des Wachsens im Geist werde.

Das Weltparlament der Religionen

In diesem Sinn möchte ich dieses Buch / diesen Brief an die Freunde 2003, beschließen mit einigen Beobachtungen über dieses Weltparlament der Religionen, das in Barcelona von 7. – 13. Juli 2004 im riesigen, phantastischen und futuristischen Forum an Ufer des Meeres stattfindet. Beginnen wir mit den Sikh. Sie haben die Verköstigung für alle siebentausend

Teilnehmer in einem großen Zelt am Meeresufer übernommen. Es wurde die soziale und sichere Stimmung der großen Pilgerfahrten der Sikh in Indien verwirklicht. Diese vornehmen Herren mit Turban und Dolch und die eleganten Damen im Sari haben uns im Namen Gottes aufgenommen. Die Schuhe blieben in den Regalen und nach der rituellen Händewaschung bekamen wir eine weiße Kopfbedeckung und traten in

das Heiligtum ein. Von verschiedenen Sikh-Gruppen gespielte und gesungene mystische Musikstücke aus verschiedenen Teilen der Welt wechseln einander ab, während der greise Guru die heiligen Texte vorliest und uns segnet. Eine schöne Ausstellung und ein Video beschreiben die Grundlagen und das konkrete Leben in dieser Tradition. Auf dem riesigen Teppich sitzen alle und essen, bedient von lächelnden und schnurrbarttragenden Sikh. Es sieht fast aus wie eine riesige publikumswirksame Show, wie ein gigantischer Akt des Anwerbens. Es ist aber tatsächlich jenes Fest, das normalerweise zum Zweck der Aufnahme der Bewerber, der Initiation der Jungen und der Katechese der Kleinen gefeiert wird, das hier in Barcelona mit der Einstimmung af die Religiosität der Welt und in globale Spiritualität endet. Wir sitzen danksagend mit Menschen von überallher und jedweden Glaubensbekenntnisses zu Tisch, jeglicher Erfahrung und jedweder Herkunft.

Genau dieses sich in Dienst nehmen lassen der Sikh lässt an eine spirituelle menschliche und universale Gemeinschaft denken, pluralistisch und vielgestaltig in ihrem Reichtum aus vielen Traditionen. Neben mir ist eine australische buddhistische Nonne, dort sitzt ein chinesischer protestantischer Pastor, daneben ein indischer Muslim, ein japanischer Jude und eine „heidnische“ Französin, gefolgt von einer katholischen Inderin und einem kalifornischen Hindu. Sicher, manches gerät ein bisschen ins Lachhafte, aber bei aller manchmal schuldhaften Lächerlichkeit in unserem eigenen Haus ist es besser, wohlwollend in das universale Lächeln einzustimmen. Beim Hinausgehen treffe ich einen älteren kleinen Herrn, einen Sikh, mit seinem Turban und seinem gewinnenden Lächeln. Er entstaubt gerade alle Schuhe der Bettler des Absoluten. Die Zärtlichkeit umfing mich: mein Jesus war da und staubte die Schuhe ab. Ein anderes Bild: die Vorführung eines Films über die selige Mutter Teresa von Kalkutta. Hier in Barcelona wurde die Atmosphäre des Staatsbegräbnisses in Indien lebendig. Diese kleine Albanerin, getragen von der gleichen Kanonenlaffette, die Gandhi und Nehru getragen hatte.... Und Menschen aller Traditionen verlangten und erhielten den Segen. Tränen flossen und Lippen wiederholten die Stoßgebete aller Traditionen: Begräbnis Jesu, der von neuem Fleisch wurde zum Trost von uns allen armen Christen.

Der chinesische Buddhist sprach über die Religionen als Blumen in einem einzigen Garten....gleichzeitig, verschieden und doch ähnlich... Die Wahrscheinlichkeit und die Neigung, die Wahl und die Essenz Christi, in die wir alle hinein getauft sind und in die er mich hineingerufen hat, haben etwas zu sagen und etwas mit der Humanisierung zu tun .... dem Heil. Eine solche Wahrscheinlichkeit wird zur demütigen Glaubenssicherheit im Akt der schöpferischen Selbstopferung, in der Teilnahme an der göttlichen Absicht, die sich manifestiert und realisiert in Jesus von Nazareth. Ist die Feindesliebe etwa eine moralische Frage? Nein, sie ist vor allem theologisch: Er ist Sohn Gottes. Geschenkt, geopfert und auferstanden und lebend im Leib der Seinen, für alle und für jeden. Jesus – metazu, Mittler, wasit, für ein Reich, das jetzt und jenseitig ist . Hier habe ich vom Hinduismus als einem vielförmigen Monotheismus sprechen gehört. Man hört nie auf zu lernen.

Hierher zum Weltparlament der Religionen bin ich auch gekommen, um die in Gang befindliche dogmatische Auseinandersetzung mit Rom über meine Positionen in eine universale Situation hinein zu stellen. Ich bin heiter und voll Vertrauen. Die Linie meines Glaubens und der Wahrheit meines Lebens besteht in der Jüngerschaft Jesu, im Verbleiben im Mysterium seines Leibes, der Kirche und in der Beziehung der Liebe und der Wahrheit zum Islam, der Umma Mohammeds.

Ich habe schon erwähnt, dass beim nächsten Mal man von einem „Parlament der Weltreligion sprechen wird, im Sinne der Würdigung der Funktionen der Religion und der spirituellen Dimension in der globalen Gesellschaft. Hier liegt der Sinn der Religion und nicht im pluralen kulturellen sich- voneinander- Unterscheiden.

Diese globale Dimension, wo sich wirklich das als evident erweist, gemeinsam an transzendentaler und moralischer Erfahrung, trennt mich nicht vom Leben, von meiner Glaubenslinie sondern führt mich dorthin und zwar ohne Identitätsängste und ohne selbstzerstörerische Forderungen. Es ist nicht nötig, Hierarchien zu schaffen, noch die einen oder die anderen zu urteilen und es ist auch nicht verboten, über deren mehr oder weniger großen Wert für mich und für die Welt von meinem Standpunkt aus mit diesem oder jenem zu diskutieren.

Da bin ich, ein Zeitatom in der Unendlichkeit der Evolutionsdauer, um zu urteilen. Dennoch ist im Glauben eine Erfahrung der Absolutheit vorhanden, in irgendeiner weise in seinsmäßiger Beziehung mit dem Kern des Sinns, des Seins, des Raumes und der Zeit als Beziehung.... Für mich, für meine Tradition (um politisch korrekt im global Religiösen zu sprechen) ist eine solche Erfahrung radikal und heute noch mehr im gestorbenen und auferstandenen Jesus, lebendig durch den Geist.... So wird die Identitätsbesessenheit gemindert, das Verlangen nach Systematisierung verringert. Der Wunsch nach Zeugenschaft und Überzeugung ist so gereinigt. Jetzt kann ich von meinem christlichen Glauben ernsthaft und heiter sprechen, wie angesichts des Todes, schon „versehen mit den Tröstungen“. Die Toleranz und der Pluralismus des Herzens sind offene und entwicklungsfähige Überzeugungen. Mit ihnen wächst Jesus in mir..... Was kann ich tun? Warum gerate ich wieder durcheinander? Vielleicht deswegen, weil die Kirchen in ihrem Komplex der Welt kein Panorama des vollen und überzeugten Respekts vor den anderen Traditionen bieten. Vielleicht auch, weil ich mir manchmal eine andere Kirche vorstelle, als sie ist, besonders hinsichtlich der Ausgegrenzten, der letzten, hinsichtlich auch der Frauen und schließlich der anderen Glaubenden, besonders der Kinder Abrahams und für mich in besonderer Weise in Bezug auf den Islam. Dass wir uns verstehen; ich bin stolz auf die Kirche wegen all des Schönen in ihrer Geschichte. Aber es ist oft, als hätten sich unsere Kirchen verschworen, nicht bis auf den Grund des in sie gesäten Geheimnisses zu gehen, das keimt und wächst durch den tiefen dialogischen Kontakt mit den religiösen Traditionen: im Hören, in der Wertschätzung, in der aufbauenden Kritik, im wechselseitigen Vergeben und schliesslich, geführt vom Geist des Auferstandenen, in gegenseitiger Interaktion und Integration. Für die Katholische Kirche ist es normal, tausend Gesichter zu haben, es ist wesenhaft, grundlegend, es passt zu ihrer innersten Identität. Das hindert uns nicht, uns ehrlich und mit nicht nur diplomatischer Herzlichkeit Religion zu Religion in Bezug zu setzen. Aber das wird sie nicht auflösen oder eingrenzen. Gewiss, die anderen Traditionen, und ich denke sofort an den Islam, haben auch selbst ihre Universalisierungsmodelle. Also beginnen wir zusammen, in der Geschichte, in Frieden und Respekt und er Geist Gottes wird uns nach dem göttlichen Wohlwollen formen wann und wie er will.

Vor einigen Tagen waren wir in einem Saal in der Frühe beisammen zu einem mystischen muslimischen Gesang, Dhikr Sufi, und der muslimische Leiter, der Sheikh, kam nicht. Was tun? Aber da gab es einen Pappkarton, ein Mädchen hatte ein Tamburin. Elias und ich begannen rhythmisch zu singen: Allah, Allah....“. Es war wie ein Seebeben, eine Woge erfasste uns und nahm uns mit empor. Wenn ich rede, warum rede ich? Und wenn ich schweige, warum schweige ich? Die Erfahrung ist da drinnen, im Leib, im Bauch. Ich kann es nicht sagen. Muslimische Form und christliches Wesen? Vielleicht, aber es ist zuwenig und zu paternalistisch! Ich kann es nicht besser ausdrücken als über das Modell und Beispiel der Ehe, der Liebe, nicht des Interesses. Es ist mir gelungen, die Rolle und die Gnade meines Priestertums besser zu verstehen, des Priestertums Christi, jenes seiner Jünger: Vermittlung, Eintreten im Opfer und auch Zuhören, Gemeinschaft, Dankbarkeit. Allah Haqq, „Gott ist Wahrheit - Gerechtigkeit“, Als die große Welle ins Meer zurückkehrte, standen wir auf und nahmen den Weg wieder auf.

Heute Abend wurde riskiert, nicht ins Auditorium zum Abschluss des Parlaments gehen zu können. Ich war sehr nervös, kindisch, rachsüchtig, lächerlich, für mein Alter zumal. Ein indianischer Junge hatte mir gesagt: „Seit zehn Minuten beobachte ich dich. Es wäre gut, wenn du dich beruhigen könntest! “ Mir kamen die schrecklichen Momente des Kontrollverlustes in den vergangenen Monaten und Jahren zu Bewusstsein. Ein schönes Zeugnis, das meine! Und so schloss die Angelegenheit mit einem Bußakt, indem ich die anderen um die Vergebung bat, die ich ihnen anbieten wollte. Schön, nicht? Wenn wir deine Vergebung, o Gott, annehmen wollen, würden wir uns und dich besser verstehen.

Abschluss

Liebe Freunde, wir hoffen, dass euch dieser Brief etwas gibt. Schickt uns eure Meinung! Wenn ihr wollt, druckt ihn und verteilt ihn an die, von denen ihr meint, sie würden ihn schätzen, besonders an diejenigen, die e-mail haben und unsere Informationen (nach dem Desaster des Briefes von 2000, der erst 2003 herausgekommen ist, haben wir darauf verzichtet, ihn in Papierform herauszugeben).

Es ist unsere Pflicht, Hilfen zu erbitten. Das Kloster wird kein leichtes Jahr 2005 vor sich haben und es wird so weiter gehen. Einige Organisationen nehmen ihre Zusagen zurück oder verzichten auf Zusammenarbeit. Das Zeugnis unserer Gemeinschaft ist aktuell, aber nicht so sehr in Mode. In Syrien ist wirkliche Armut. Sie betrifft oft auch Menschen der mittleren und gebildeten klasse. Die Arbeitsplätze nehmen ab und die Lebenskosten steigen. Viele Arme wenden sich an uns. Wenn sie nicht mit leeren Händen von uns gehen müssen, ist es euer Verdienst. Anerkennung ist eine seltene Krankheit.... Oft denke ich, besonders während der Messe und in der Meditation, aber auch in den alltäglichen Momenten an diejenigen, die uns helfen. Die Gesichter derer, die uns in den Achtzigerjahren halfen, vor zwanzig Jahren, als alles noch eine echte Torheit war, kommen mir in den Sinn. Ein Strom von Liebe überschwemmt meine Seele und verwandelt sich in ein armes Gebet für sie, für ihre Familien, ihr Tun, ihre Lieben und, vor allem, für ihr Wachsen in der Freude des Geistes. Ciao und danke!

Die Gemeinschaft von Khalil.

 

 

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